Follow us on social media
Bleierne Herzen, Sonnentod: So klingt das neue Rammstein-Album „Zeit“
Follow us on social media
Rammstein ist schwer ums Herz, schwerer als je zuvor. Deswegen eröffnen Mollklänge, Synth-Flächen und eine in ihrer Tristesse beinahe joviale Einladung Till Lindemanns den Trauerreigen: „Bist du traurig so wie ich / Dir laufen Tränen vom Gesicht / Komm zu uns und reih dich ein / Wir wollen zusammen traurig sein! Komm mit!“, beginnt das neue Rammstein-Album. Armee der Tristen heißt das Stück, und weiter heißt es darin: „Warum stehst du noch am Rande ? Reih dich ein in unsere Bande! Wenn wir dann im Trist marschieren / Gar nichts, nichts! Kann dir passieren“. Trauersolidarität, gemeinschaftliche Verzweiflung steht auf dem Programm.
von Markus Brandstetter
Hier könnt ihr euch Zeit anhören:
Rage against the dying of the light
Dann folgt Zeit, jene cineastische Ballade, die die Berliner Band bereits als erste Single ihres neuen Longplayers ins Rennen geschickt hatte. Während im Opener noch eine gewisse Lust an der Verzweiflung zu spüren war, ist der Titeltrack dann ein groß angelegtes Lamento. „Zeit, bitte bleib stehen, bleib stehen / Zeit, es soll immer so weitergehen“, fleht Lindemann.
Einige, so liest man, mutmaßen, dass Rammstein auf dem Longplayer Hinweise auf das nahende Bandende verstecken — ihnen ist Zeit gleichermaßen eine kurzweilige Schnitzeljagd auf der Suche nach Hinweise. Spektulationen über ein nahendes Bandende (glauben wir nicht, hoffen wir nicht!) hin oder her, was Rammstein allerdings ganz sicher besingen ist das eigene Ende, die unausweichliche Endlichkeit. Besser: Sie singen dagegen an. Ohne Hoffnung, aber mit Inbrunst, logisch, die Sache mit der Sterblichkeit eben.
Jetzt in unserem Shop erhältlich:
Der Sonnentod ist ihnen Vergnügen
In Schwarz gibt Lindemann das bleierne Herz, erfreut sich an der eigenen Dunkelheit. „Denn immer wenn ich einsam bin / Zieht es mich zum Dunkeln hin / Der Sonnentod ist mir Vergnügen“, heißt es im Chorus — dazu gibt es neben den tonnenschweren Gitarren von Richard Kruspe und Paul Landers Klavieruntermalung, der Chorus ist groß, sehr groß sogar. Man kann bereits die Resonanz und die Pyrotechnik beim Wort „Sonnentod“ im Stadion erahnen. Das ist bei „Giftig“ nicht anders: „Du bist giftig“ sind Lindemann zu surrenden Synths, zelebriert die Lust am Toxischen: „Irgendwie find es gut / Ein Gegenmittel gibt es nicht“, singt er.
Keine Neuerfindung, aber andere Gewichtungen
Keine Frage, Rammstein erfinden sich auf Zeit nicht neu, sie legen ihre eigenen Gewichtungen nur etwas anders. Während Lindemann auf anderen Alben von Song zu Song in etliche Theaterrollen schlüpft — den Jäger, den Kannibalen, den Triebtäter und so weiter mimt. Dafür gibt’s nahezu gotische Lindemann-Poesie, Anklagen gegen die Zeit, den Tod. Das heißt es nicht, dass auch mal obskurer zur Sache geht. Auf dem bereits bekannten Zick Zack zum Beispiel, in dem es um den Beauty-Wahn geht — oder auf dem Partnersuche-und-Prioritätsbekundungssong Dicke Titten. Das sind aber die weniger erinnerungswürdigen Momente von Zeit — und wirkt manchmal fast wie eine Pflichtübung. Natürlich, auch hier singen Rammstein über die Abgründe der menschlichen Seele — zum Beispiel in Meine Tränen, das häusliche Gewalt thematisiert. Oder in Angst, in dem es um die Angst vor dem Fremden geht.
Stimmiges, melancholisches Album
Am besten sind Rammstein auf Zeit immer dann, wenn es am melancholischsten, am schwersten wird — wie im epischen Schlusstrack Adieu. „Adieu, goodbye, auf Wiedersehen / Den letzten Weg musst du alleine gehen“, singt Lindemann — und die Melodie bäumt sich sinfonisch zur großen Elegie auf. Mit Zeit haben Rammstein ihre Diskografie um ein bemerkenswertes, stimmiges Album erweitert. Eines mit bemerkenswert vielen großen Refrains, mit tonnenschwerem Pathos. Eines, das im Gesamtwerk irgendwie zwischen den Stühlen sitzt. Perfekt zur Stimmung passt auch das von Bryan Adams fotografierte Cover, das die Band auf dem Berliner Trudelturm zeigt. Ja, so kann die Zeit für Rammstein und uns definitiv noch weitergehen.
Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!
28 Jahre Rammstein: Die größten Skandale der Bandkarriere